Ukiyo-e Sake Pairing – ja, ich weiß, das hört sich nach einem ziemlich schrägen Experiment an. Die berechtigte Frage nach dem „was soll das alles eigentlich“ klären wir auch gleich noch. Aber fangen wir zunächst einmal ganz von vorne an, bei japanischen Drucken und beim Sake.


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Sake: Vor ein paar Jahren hatte ich mir einen wirklich unglaublichen Luxus gegönnt – die Ausbildung zum zertifizierten Sake Sommelier. Eigentlich gab es dafür keinen „triftigen“ Grund. Bis auf eines – ich mag Sake – und ich wollte dem Phänomen auf die Spur kommen, wie ein Getränk aus schlichtem Reis eine derart große Vielfalt an Aromen entwickeln kann. Die Ausbildung selbst? Mehr als klassisch: viel trinken, viel probieren, viel studieren. Und, wie es sich für ordentliche Sommeliers gehört, haben wir so manchen Gedanken darauf verwendet, welchen Sake man wohl am besten mit welchen Speisen kombinieren kann.

Aber meine Gedanken schweiften ab. Nach kurzer Zeit ging es mir nicht mehr um die Frage nach leichten oder fetten Speisen, als vielmehr um Farben, Formen und Motive. Was mich schließlich umtrieb, war die Frage, welchen Sake man wohl mit welchem japanischen Farbholzschnitt kombinieren kann. Und diese Frage beschäftigte mich reichlich.

Um aber an dieser Stelle gleich jedwedes Missverständnis auszuräumen. Ich könnte Ihnen niemals erzählen, welcher Wein zu van Gogh oder zu Otto Dix passt – keine Ahnung! Das ist nicht mein Spielfeld. Aber in der Welt der Farbholzschnitte war für mich das Bindeglied zwischen Sake und japanischen Drucken schnell ausgemacht. Umami!

Umami: der fünfte Geschmack. In dem Artikel Umami: wo sonst treffen sich Sake und Ukiyo-e war bereits viele über die ominöse fünfte Geschmacksrichtung zu lesen, die letztlich die Vollmundigkeit oder die Reichhaltigkeit eines Geschmacks beschreibt. Auf Englisch wird das Ganze auch gerne „meaty taste“ genannt. Für Sake-Genießer ist Umami eine wichtige Dimension, um die Qualität von Sake zu beschreiben. Doch eben diesen Körper und die Vollmundigkeit finden wir auch im japanischen Farbholzschnitt, und zwar in unterschiedlichen Dimensionen: im „Design“ oder dem Motiv des Drucks, in der Wahl und Kombination der Farben, in der Güte des verwendeten Papiers, in der Intensität der schwarzen Konturlinien, in der manifestierten Energie, mit der das Papier auf die hölzernen Druckstempel gedrückt wurde. Mehr zum Thema Drucke, Sake und Umami….

Ukiyo-e Sake Pairing: So weit so gut, aber wie sähe es nun bei jenem Druck aus, den Sie aus obigem Beitrag zum Thema Umami schon kennen? Wüssten Sie, welcher Sake wohl am besten zu diesem vollmundigen aber eleganten Druck von Toyohara Kunichika passt? In Japan wäre zu diesem Druck vielleicht der Ausdruck „kakoii“ gefallen – irgendwie cool. Und das stimmt auch. Dieser Druck ist reichhaltig, aber im Vergleich zu vielen anderen Drucken auch einfach cool.

Farbholzschnitt mit Umami

In erster Linie auffallend sind an diesem Druck die Farben. Der Druck wirkt kräftig, insbesondere durch den einfachen Hintergrund in Petrolblau bis –grau. Im Kimono des Schauspielers dominieren unaufdringliche Farben, etwa grünliches Grau, Schwarz, gedecktes aber auch kräftiges Blau. Das weinige aber präzise gesetzte Rot lenkt das Auge, aber ohne die Aufmerksamkeit zu sehr von dem größten Kontrast des Drucks abzulenken, dem Gesicht des Schauspielers. Doch die zunächst kräftig wirkenden Farben sind allesamt gedeckt und insgesamt matt. Sie wirken organisch und reichhaltig, ganz so, wie es klassischen, eleganten Farben in Japan zu eigen ist (mehr zur Natur japanischer Farben im Artikel The Colours of Japan: Farben, Japan und die Kunst). Die Farbkomposition ist ausgewogen und verleiht dem Druck seine in sich ruhende Tiefe. Der hellblaue Überwurf des Schauspielers kontrastiert mit der erforderlichen Frische, so dass der Druck nicht muffig oder langweilig wirkt. Und dennoch, grelle, allzu liebliche oder verspielte Farbtöne kommen hier nicht vor, was eben die kühle Eleganz und das etwas Burschikose des Drucks ausmacht.

Das Motiv wiederum ist geradlinig und entschieden. Der Druck ist bis auf die fein geschnitzten Haare nicht feinziseliert. Hier wurde vielmehr mit kräftigen, beinahe dicken Konturlinien gearbeitet. Das macht die Arbeit zwar robust aber auch wirkungsvoll.

Bei aller Reichhaltigkeit ist es aber doch kein texturreicher Druck, etwa mit tiefen Prägungen oder mit sichtbarer Holzmaserung. Doch wie so oft bei einfarbigen Flächen, hier dem Hintergrund, ist die kreisende Reibetechnik des Baren (Druckwerkzeug um das Papier händisch auf den hölzernen Druckstock zu pressen) ganz leicht im Druckverlauf zu erkennen. Das Handwerk und die Arbeit des Druckers sind präsent. Letztere ist insbesondere beim Blick auf die Rückseite des Drucks zu sehen.

Es handelt sich hier also um einen vollmundigen, schnörkellos klaren aber eleganten Druck. Ich sehe hier reichlich Umami, wenngleich wohl temperiert, ausgeglichen und unaufgeregt. Hier braucht es keine erdigen Aromen, keine lieblichen Aromen aber körperreiche Eleganz. Es ist aber auch kein Grand Cru erforderlich. In jedem Fall hatte ich bei diesem Druck sehr schnell eine Idee, welcher Sake wohl passen könnte.

Glücklicherweise konnte ich für mein Ukiyo-e Sake Pairing Frau Rost-Aoki gewinnen (Sake Kontor Berlin). Auf obige Frage sind ihr gleich drei Sake aus ihrem Sortiment eingefallen. Interessant und beruhigend für mich – es war auch jener Sake dabei, den ich selbst aus ihrem breiten Angebot ausgewählt hätte.

 

And here we go:

IMAYOTSUKASA TOKUBETSU JUNMAI aus Niigata

Das Sake Kontor beschreibt diesen Sake als vollmundig und reichhaltig, aber trotzdem elegant, trocken und geschmeidig mit glatter Textur. Persönlich schätze ich die Aromen, die schon bei leichtem Schwenken aus dem Glas aufsteigen: Reis, Banane und ein ganz leichter Ananasduft. Aber dieser Sake übertreibt es nicht mit den fruchtigen Aromen. Das leicht grasige und trockene auf der Zunge geht mit einer gewissen Adstringenz einher und passt für mich hervorragend zu der Kühle und Eleganz des Drucks.

Warum? O.k. und nun zur Frage, „was soll das alles eigentlich“. Was soll dieses seltsame Experiment? Sie dazu anstiften, sehr viel Sake zu trinken, nur um Sie für japanische Kunst zu gewinnen? Ich meine – das können Sie natürlich gerne tun, viel Sake trinken, aber… Sagen wir einmal so. Worum es mir geht, ist Ihnen ein Ticket auszuhändigen – natürlich – in die Welt der japanischen Kunst. Verstehen Sie Kunst aus Japan daher gerne als Einladung, sich auf unterschiedlichste Art und Weise mit japanischer Kunst zu beschäftigen, auch wenn das „Wie“ hin und wieder ein reichlich ungewöhnliches ist. Die Hauptsache ist, Sie erleben japanische Kunst, Sie haben Spaß an japanischer Kunst und die Sache ist irgendwie lebendig!

Aber ist dafür nun wirklich jedes Mittel recht? „Braucht’s des?“, würde man in Bayern wohl allzu gerne fragen. Und muss man denn jeden Hund zum Jagen tragen? Außerdem, ist ein Experiment wie dieses am Ende nicht nur eine schnöde „eventisierung“ von Kunst?

Sehr gut, darüber lässt sich in jedem Fall streiten. Das tun wir auch, aber vielleicht besser in einem separaten Beitrag (Ukiyo-e Sake Pairing: braucht‘s des, oder wieso mache ich das eigentlich?). An dieser Stelle will ich nur sagen, dass Kunst für mich heute unendlich viele Gesichter hat, genau wie die Frage „Wie eignet sich Mensch Kunst eigentlich an?“. Erleben wir Kunst nur bei den Großeltern im Wohnzimmer, in Museen, Blogs oder doch eher auf Instagram? Und genau darum geht es beim Ukiyo-e Sake Pairing, um die Frage nach der Aneignung von Kunst. Auch der Weg zur Kunst schöpft heute aus einer bisweilen skurrilen Vielfalt und als großer Fan derselben, konnte ich dem Sake-Kunst-Experiment einfach nicht widerstehen. Nur eines war mir wichtig. Vielleicht kennen Sie mich ja nun schon ein kleinwenig. Ich habe versucht, Sie auf die mir authentischste Art und Weise auf den Geschmack von Ukiyo-e zu bringen: mit Sake!

Um dieses erste Ukiyo-e Sake Pairing gebührend zu feiern, habe ich mit einer guten Freundin und eben diesem Junmai angestoßen, leicht gekühlt im kleinen Weißweinglas. Als kleine Beilage: Sushi vom fetten Tunfisch, Spinat mit Sesam und einen alten Film von Akira Kurosawa. Manchmal muss man sich eben etwas Gutes tun.

Und was wird nun aus den anderen Flaschen, die mir Frau Rost-Aoki empfohlen hat? Glücklicherweise habe ich für diese Empfehlungen auch schon die passenden Drucke parat. Sie können sich also auf weitere Beiträge zum Thema Ukiyo-e Sake Pairing freuen.

Übrigens, falls Sie das Thema Sake interessiert, kann ich Ihnen empfehlen, einen Blick in die Zeitschrift Sake Today zu werfen. Die Artikel sind grandios, mit viel Umami und liebevoll recherchierten Artikeln über das Getränk der Götter.

Aber vielleicht haben Sie ja noch ganz andere Ideen, was Sie gerne mit japanischen Drucken kombinieren. Please leave a comment! Dazu bitte auf dieser Seite ganz nach unten scrollen.