Tja, nun stehen sie wirklich vor der Türe, die Olympischen Spiele in Tokyo (2020) 2021. Wer hätte das gedacht. Offen gesagt, ich hätte es nicht gedacht. 1000 Gründe sprachen dagegen und ja, sie wurden gerade von den Bürgern Tokyos auch lautstark geäußert, lautstark zumindest für japanische Verhältnisse. Die Covid19 Infektionszahlen steigen, viele Bürger in Tokyo sind verunsichert, verärgert und voller Sorge. Doch andere „Faktoren“ und Beweggründe spielten eine tragendere Rolle, die Olympischen Spiele durchzuführen, als die Nöte der Menschen. Nun können wir nur mehr beobachten, mit Staunen und Zittern.
Aber, sie finden nun einmal statt. Und es werden sicherlich Olympische Spiele werden, die in ihrer Art, mit allem Wenn und Aber, einzigartig sind, zumindest bleibt dies zu hoffen.
Olympische Spiele haben nicht besonders viel mit japanischer Kunst zu tun. Diese Briefmarke ist zumindest ein kleiner ästhetischer Gruß.
Doch aus gegebenem Anlass kann ich es mir einfach nicht verkneifen, ein paar Geschichten von den Olympischen Spielen von 1964 einzustreuen, einfach, weil sie in meinen Augen wunderbare und unvergessliche Olympia-Geschichten sind. So spielte etwa Judo erstmals bei den Spielen 1964 in Tokyo eine Rolle. Die Sportart wurde in Japan, als Hommage an das Gastland und seinen Nationalsport, erstmals als olympische Disziplin zugelassen. Erfreulich für Japan: im Leicht-, Mittel- und Schwergewicht siegten jeweils japanische Sportler. In der offenen Klasse jedoch unterlag der Japaner Akio Kaminaga dem niederländischen Anton Geesink. Es war – ein Drama! Die Tränen flossen in Strömen.
Nun stellt sich vielleicht die Frage, weshalb es denn solch ein Drama war. In drei Gewichtsklassen ging Japan als Sieger hervor. Sind die Japaner denn so schlechte Verlierer? Eigentlich sind sie es nicht. Niederlagen werden normalerweise mit großer Würde ertragen. Doch die offene Klasse (alle Klassen sind hier zugelassen) verkörpert, mehr als alle anderen Klassen, den Geist des Judo und im Grund auch den der zutiefst japanischen Geisteshaltung, nach dem auch der körperlich kleinere oder schmächtigere Sportler den größeren besiegen kann, wenn er nur durch diszipliniertes Training die richtige Technik und die richtige geistige Haltung erlernt. Aber hier war einfach nichts zu machen. Der große Mann besiegte den kleinen. Diese Niederlage brach den Japanern das Herz.
Selbst meine Okâ-san, meine japanische Gastmutter, sicherlich keine sportaffine Frau, hatte mir einmal erzählt, dass der anfängliche Jubel der Niederländer in der Sporthalle relativ schnell verstummt sei. Aus heutiger Sicht wundert es mich zwar, doch die anwesenden Zuschauer müssen wohl doch das Feingefühl gehabt haben, die japanische Tragik in dieser Niederlage zu verstehen. Selbst die Zeitungen hätten berichtet, dass das Schluchzen der japanischen Zuschauer in der Sporthalle zu hören war, so still muss es gewesen sein. Das Ereignis ist vielen Japanern in trauriger Erinnerung geblieben.
Doch es gab auch Siege, einer davon war vielleicht ebenso bedeutungsvoll für Japan, wie die Niederlage des Herrn Kaminaga. Es geht um den Sieg der japanischen Damen im Volleyball. Bei den Olympischen Spielen 1964 wurden erstmals Männer und Frauen im Volleyball zugelassen. Im Finale spielten die Gasgeberinnen gegen die sowjetischen Damen und gewannen souverän 3:0. Und ja – im Grunde geht es um die gleiche Thematik. Neben den zierlichen Japanerinnen wirkten die sowjetischen Sportlerinnen wie riesige Amazonen. Aber es waren die Japanerinnen, die hier das Gold holten, die sich durch ihre Disziplin und härtestes Training gegen die „Amazonen“ durchsetzten. Zwar ist bekannt, dass der Trainer der japanischen Damen-Volleyballmannschaft seine Sportlerinnen mit schändlicher Härte behandelte und trainierte, also nichts, wofür es sich im Nachhinein zu rühmen gilt. Doch 1964 war eben dieser Sieg ein heilsamer Sieg, auch wenn es sich nicht gerade um die Nationalsportart Japans handelte.
So viel zu den alten Geschichten. Die Olympischen Spiele 2021 werden eigene Geschichten schreiben… in meiner naiven Einfalt hoffe ich, dass auch ein paar gute dabei sein werden, die all den Mist und das Ungemach, die schon jetzt bekannt sind, in ein verträglicheres Licht stellen werden.
Übrigens, mit Staunen und Zittern ist der Titel eines amüsanten Romans von Amelie Nothombe. Als junge Frau macht sie ihre ersten Erfahrungen im Arbeitsleben einer japanischen Firma. Es sind nicht unbedingt die besten Erfahrungen, sie findet sich letztlich als Putzfrau für die Toiletten wieder. Aber so ist es eben – manchmal bleibt einem nichts weiter als Staunen und Zittern.
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