Die Kunst, sie hat mit Sicherheit viele Gesichter. Auch tobende, rasende, grölende, lallende und jämmerlich weinende Gesichter? Selbstverständlich. So wie Toshiro Mifune – sein Gesicht ist für mich ein Gesicht der japanischen Kunst.

Also sprechen wir ruhig einmal von etwas anderem, als von Farbholzschnitten und ästhetischen Konzepten. Toshiro Mifune ist für mich das Gesicht, das den japanischen Film geprägt hat wie kein anderes. Für mich! Aber ich muss wohl auch gestehen, dass ich ein absoluter Mifune-Fan bin. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich schon viele Stunden mit Herrn Mifune verbracht habe. In meiner Doktorarbeit durfte ich mich mit den Filmen von Akira Kurosawa beschäftigen und Mifune ist einer seiner relevantesten Schauspieler.

Seine klassischste Rolle: der Samurai, der abgerissene, abgebrannte, vordergründig moralisch verkommene Samurai. In der westlichen Filminterpretation wäre er in jedem Fall der Antiheld. Mifune ist einfach der Antiheld. Und er ist dabei so unendlich cool wie kein anderer. Schauen Sie sich einfach mal Mifune in Die Sieben Samurai an, oder, in einer seiner bestechendsten und gleichzeitig verkommensten Rollen, in Die Leibwache.  Und danach sagen Sie mir, mit wem Sie lieber eine Flasche Sake in einer schummrigen Izakaya trinken würden…

Umso mehr hatte ich mich gefreut, als ich auf meinen Streifzügen durch die Gassen Tokyos dieses alte Plakat finden durfte. 

Mifune spielte in über 130 Filmen mit und erlangte auch breite internationale Anerkennung, was nur sehr wenigen japanischen Schauspielern seinerzeit gelang.  Was ihn auszeichnete, war sein unglaublich extrovertiertes Spiel, mit viel Mimik aber auch mit extrem viel Körper. Wenn Mifune spielt, sprengt er die Leinwand. Wie gesagt, schauen Sie gerne einmal Die Sieben Samurai an, dann wissen Sie, was ich meine. Mifune passte mit dieser explosiven, furchtlosen Art des Spiels gut zu Kurosawa, nicht aber zu anderen Regisseuren, die weitaus ruhigere oder besonnenere Charaktere für ihre Filme suchten. Später betätigte sich Mifune auch selbst als Regisseur und Filmproduzent.  

Fans und glühende Verehrer von Mifune finden ihren heiligen Gral im Kamakura City Kawakita Film Museum. Das Museum steht ganz im Zeichen von Kurosawa und Mifune.  Und es zeigt insbesondere Mifune als Mensch, der gerne auch als japanischer James Dean bezeichnet wird. Der angeblich so sensible Mann liebte schnelle Autos, die Frauen und insbesondere den Alkohol. Klingt allzu vertraut, nach der üblichen Story vom Typen mit der harten Schale und dem weichen Kern? Ja, vielleicht. Zumindest scheint es zu stimmen, dass Mifunes Leben ebenso exzessiv verlief wie sein Spiel auf der Leinwand. Mifune, der Samurai, der im Kino wie im Leben zur Kultfigur wurde.   

Meine Doktorarbeit: Filme analysieren – Kulturen verstehen. Über Akira Kurosawas „Yojimbo“ und seine beiden Remakes „Per un pugno di dollari“ und „Last man standing“. Hier geht es u.a. um die Themen Moral, Menschlichkeit und Ethik im Film. Ist der Antiheld also wirklich ein Antiheld? 

Toshiro Mifune wäre am 01.04.2020 100 Jahre alt geworden.