Die Bayerische Staatsbibliothek – wer in München studiert hat, kennt sie vermutlich gut. Als einen Ort des Studiums, als einen Ort der Bücher, als einen Ort der Versenkung. Aber als einen Ort der Begegnung und der Kunst?
Aktuell ist die Stabi ganz offensichtlich ein Ort der Kunst. Denn zu den Schätzen der Staatsbibliothek zählen nicht nur Bücher, sondern auch künstlerische Druckwerke unterschiedlichster Art. Die Japan-Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek etwa umfasst aufwändig illustrierte Bücher, seltene Triptychen und Einblattdrucke: allesamt gedruckt in der Technik des Holzschnitts. Ein umfangreicher Teil davon wird nun in der aktuellen Jahresausstellung Farben Japans der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Japan-Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek
Tatsächlich ist es das erste Mal, dass die Japan-Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek (als Teil der Orient- und Ostasiensammlung) eine derart umfangreiche Auswahl aus ihrem Bestand zeigt. Und ich kann es nur so formulieren – diese Ausstellung ist spektakulär. Sie beginnt bereits im imposanten Treppenaufgang der Staatsbibliothek, wo das Motiv der Großen Welle vor Kanagawa von Hokusai – überlebensgroß – auf die Setzstufen der Steintreppe aufgebacht ist. Nicht umsonst ist mittig vor der ersten Stufe ein Selfie-Point angebracht. Angesichts dieser Kulisse verstehe ich den albernen Selfie-Point sogar, auch wenn ich über derartige „Points“ eigentlich immer lachen muss. Wer sich dann zur Ausstellung hinaufarbeitet, schreitet über die Welle von Hokusai zum eigentlichen Geschehen in den ersten Stock.
Noch im Prachttreppenhaus erwarten die Besucher riesige Transparente von Farbholzschnitten, die auch in der Ausstellung im Original zu sehen sein werden. Gezeigt werden auch ganze Reihen von Schautafeln zu Drucken, die sich allesamt im Original im Besitz der Stabi befinden.


Spektakuläre Neuerwerbungen für die Japan-Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek
Der eigentliche „Schatz“ aber ist in den Schatzkammern der Staatsbibliothek im ersten Stock zu sehen: 130 Drucke, darunter einige der bekanntesten Motive des japanischen Farbholzschnitts aus drei Jahrhunderten. Der überwiegende Teil umfasst Farbholzschnitte aus der Edo-Zeit (1603-1868) bis hin zu sogenannten neuen Farbholzschnitten, den shin-hanga, aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. So kann man staunen über Utagawa Hiroshiges Pflaumenanwesen in Kameido (1857) ebenso wie über Kawase Hasuis Zôjôji in Shiba (1925) oder Natori Shunsens Ichikawa Sumizô als Gonpachi (1926).
Und sogar brandaktuelle Werke, etwa die des Holzschnittkünstlers Keniji Yokono sind zu sehen. Schon diese wären für sich gesehen absolute Highlights. Und doch folgt noch der Höhepunkt der Ausstellung. Denn in den vergangenen Jahren konnte die Sammlung der japanischen Farbholzschnitte durch spektakuläre Zukäufe erweitert werden: Sommergewitter am Fuße des Berges, Südwind, klares Wetter – bekannt als roter Fuji und die Die große Welle, genauer gesagt Unter der Welle im Meer vor Kanagawa, allesamt von Hokusai.

Die Große Welle kann gut und gerne als Ikone der japanischen Druckgrafik bezeichnet werden, vielleicht auch als das bekannteste Motiv Japans. Alle drei stammen aus der Holzschnittserie „Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“.

Vor diesen drei Drucken zu stehen ist absolut erhebend. Es handelt sich um besonders wertvolle, frühe Abzüge (1830 bis 1832). Doch ganz ungeachtet dessen, sind sie einfach wunderschön. Die Qualität der Drucke hinsichtlich Papier und Farbe ist beeindruckend. Wir sprechen hier von Handwerk auf höchstem Niveau.
Japanische Farbholzschnitte: Meisterwerke des japanischen Handwerks
Dabei spreche ich bewusst von Handwerk – und meine das keinesfalls despektierlich. Auch zu Edo-Zeiten wurden Drucke dieser Art, gleich wie künstlerisch aufwendig sie auch sein mochten, als Handwerk bezeichnet, nicht unbedingt als Kunst. Auch das erschließt sich in der Ausstellung Farben Japans. Denn die Ausstellung widmet sich auch dem handwerklichen Verbund, der in der Edo-Zeit das Fundament für qualitativ hochwertige Drucke war: so ist die Rede vom Verleger, der ein Motiv bei einem Künstler in Auftrag gibt (etwa Hokusai). Der Verleger beauftragt im zweiten Schritt den Holzschnitzer, der die hölzernen Druckplatten herstellt. Diese wiederum werden an den Drucker übergeben, der der Fachmann mit Pinsel, Farbe und Druckwerkzeug ist. Ein Jeder ist ein absoluter Kenner und Könner seines Fachs. In diesem Verbund entstanden Erzeugnisse von größter Exzellenz und Könnerschaft.

Von dem ersten Set an Druckplatten wurden in der Regel einige hundert Abzüge gefertigt. Dann mussten die Druckplatten entweder erneuert werden oder das Motiv war eben abgedruckt. Ob diese drei spektakulären Drucke von Hokusai zu den allerersten Abzügen zählen, wird nicht genau benannt, aber es wird von sehr frühen Abzügen gesprochen, die in den ersten beiden Jahren nach erstmaliger Herausgabe der Serie „Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“ entstanden sind.
Und nun noch eine kleine Notiz am Rande. Es macht wirklich Sinn, diese Ausstellung nicht am Sonntagnachmittag, also dem Klassiker der Museumszeit zu besuchen. Ich selbst war am Sonntagmittag in Farben Japans und habe 1,5 Stunden angestanden, um in die eigentlichen drei Räume der Ausstellung zu gelangen, wo die 130 Farbholzschnitte zu bewundern sind. Dabei habe ich Gäste beobachtet, die nicht verstanden, dass die Transparente und Abbildungen im Treppenhaus nur ein Vorgeschmack auf die eigentlichen Drucke waren. Sie gingen wieder – und waren enttäuscht. Andere sahen die lange Warteschlange für die drei Räume der Schatzkammer und gingen ebenfalls wieder. Auch diese enttäuscht. Die Farben Japans ist also eine Frage des Timings – aber in jedem Fall einen Besuch wert.
Die Ausstellung Farben Japans ist vom 27. März 2025 – 6. Juli 2025 zu sehen, immer von Sonntag bis Freitag, 10:00-18:00.
Für weitere Ausstellungen über japanische Kunst und Ästhetik in Deutschland, Österreich und der Schweiz, werfen Sie gerne einen Blick auf die Rubrik Aktuelle Ausstellungen über Japanische Kunst.
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